„Wir verpassen den Zug!“, rief Liliane mir zu, als sie mir voraus lief. Aber ein Glück hielt Flipp, der Bahnschaffner von Kivania, den Käpptn des Zuges vom Weiterfahren ab, sodass ich den Zug noch erreichen konnte. Vor der noch offenen Tür mittig des Zuges war es nun soweit: Ich musste mich von Liliane, meiner allerbesten Freundin, verabschieden, weil ich in eine neue Stadt ziehen werde.Dort habe ich die Chance, mit meiner Melonenkollektion groß rauszukommen und mir endlich ein besseres Leben zu ermöglichen. Hier in meiner Heimatstadt Kivania habe ich nie eine wirkliche Chance gehabt bei Elisas Kirschkollektion oder Sophies eigenem ganz persönlichenatemberaubend schönen Stil. Liliane, die liebe Froschdame, stand mir in diesen schwierigen Zeiten immer bei. Wir saßen oft in ihrer Küche und ich ließ mich jedes Mal von ihrem Retrokühlschrank faszinieren,weil da immer neue spezielle Gerichte à la Liliane drin waren. Ich hatte mich schon so auf ihr Weihnachtsgericht gefreut!
Aber die Schneiderei von Tina & Sina in Mervellouscity erwartete mich bereits. Ich drückte meine herzallerliebste Lilianenochmal ganz fest, flüsterte ihr ein „Ich hab dich ganz doll lieb!“ und stieg mit leicht feuchten Augen in den Zug. „Der Zug nach Mervellouscity fährt jetzt ab!“, gibt der Käpptn kund und das Abenteuer beginnt.
In Mervellouscity angekommen und den Bahnhof verlassen, schaute ich mich erstmal mit dem Kopf um, um einen ersten Eindruck zubekommen.
Meine Augen vergrößerten sich auf einen Schlag!
Denn was ich sah, war erstaunlich. Es hing keine Weihnachtsdeko an den Tannenbäumen und niemand war zu sehen. Nur eine kalte Schneelandschaft, etwas Unkraut und das wars. Das wird ein Weihnachten... Wahrscheinlich muss ich am 24.12. auch noch durcharbeiten.
...ARBEITEN! Ich sollte zu Tina & Sina und mich vorstellen.Bei ihnen angekommen kam auch schon eine der beiden Igeldamen auf mich zu: „Hallo und herzlich Willkommen in unserer Schneiderei! Womit kann ich behilflich sein?“
„Ähm... hi! Meine superstylische Wenigkeit, Knuspi, hatte sich hier als Modedesignerin beworben. Ich kanns kaum erwarten!“
„Oh, hallo Knuspi. Ich bin Tina. Dort an der Nähmaschine arbeitet meine ältere Schwester Sina. Ich führe dich mal durch den Laden und zeige dir, wo du wie arbeitest.“
Nach der Führung und den ersten Entwürfen durfte ich Feierabend machen. „Tschüss! Morgen denn um die selbe Zeit, ja?“, fragte Tina. Morgen? Aber morgen ist doch Weihnachten! Der 24.12.! Selbst Sophies Schneiderei in Kivania hat da zu. Feiern die hier überhaupt Weihnachten?
Die ganzen Fragen habe ich lieber nicht gestellt, sondern habemich mit einem freundlichen „Ciaoiii!“ verabschiedet.
Noch war es früh. Erst 18 Uhr! Da konnte ich ja noch viiiieeel machen! Ich sollte mich meinen Nachbarn vorstellen.
Aus dem ersten Haus kamen Fußballgeräusche. Aus einem Fernseher wahrscheinlich... Ich klopfte an, aber niemand öffnete mir die Tür.„Heiliger Flatterball!“, hörte ich eine quiekende Stimme.„Tooooor!“, rief eine Stimme eines Pinguins, denke ich. Ich gab die Hoffnung auf.
Vor dem nächsten Haus wurde mir die Tür geöffnet. Ich sah in eine Wohnung voller Weißmöbel. Dieses Tier, das hier wohnt, hat Ahnung von einem schicken Heim. „Hallihallooo! Ich bin Knuspi! Die superstylishe neue Modedesignerin der Stadt. Und nun wohne ich hier!Nett, euch kennenzulernen!“, ich strahlte mit meinen zwei Eichhörnchenzähnen superduperfreundlich. „Guten Tag. Mein Name ist Frieda. Ich wohne hier. Ja, die Wohnung mit den schickesten Möbeln gehört mir, richtig! Aber die Wohnung von Monique, der Katze dort drüben, ist sicher genauso schön. Und jetzt stör uns nicht weiter! Wir müssen noch einiges bereden.“ „Ja genau!“, ergänzt Monique, „Ich habe noch einigen Tratsch über Koko, den Bücherwurm,also komm bitte ein andermal wieder.“
„Wo wohnt denn diese – Koko?“, wollte ich gerade fragen, da war die Tür schon zu. Oha, einige Spannungen scheint es in dieser Stadt zu geben.
Aber ich fand Kokos Haus auch so. Ich klopfte und eine nette Hasendame, die sich als Henrike vorstellte, ließ mich rein. Dieses Haus sah schon etwas anders aus. Der Boden war eine aus Stroh bestehende Flechtmatte, verschiedene Gyroiden sorgten für einen gewissen Sound und lauter Bücher lagen herum. „Einen Bonbon?“,fragte Henrike und hielt mir eine Schüssel hin. „JAAAA!“, rief ich. Dankend krallte ich mir einen. Die Leseratte in der Ecke war Koko, ein brauner Hase mit schwarzen Augen, und Mimmi kam überfröhlich – ungefähr so wie ich – auf mich zu. Hier scheinen sich nur Hasen aufzuhalten und trotzdem fühle ich mich hier willkommen. „Du bist die neue Modedesignerin?“, fragte Mimmi,„Cool! Ich designe auch, aber nicht profimäßig. Bei Sophie in Kivania hatte ich auch kein Glück!“ „Du kennst Sophie? Nun, um dich zu trösten: Bei Sophie haben wenige eine Chance. Ich auch nicht. Du kannst bestimmt gut designen!“, antwortete ich. Mimmi strahlte übers ganze Gesicht. Sie sah so süß aus dabei!
Doch leider musste ich weiter, mich den anderen vorstellen. Ein Haus inmitten in Bambus sah ich in der Nähe. Gerade wollte ich,nachdem ich voller Freude hinüber gehopst bin, klopfen, als ein Schnarchen ertönte. Da störe ich mal lieber nicht.
Ein Haus stand ganz im Abseits. Ich klopfte und dann ertönte ein tiefes, dunkles „Mhm,... wer ist da?“ durch die verschlossene Tür. „Ich bin Knuspi, neu in die Stadt gezogen. Ich wollte mich nur kurz vorstellen.“ Die Tür öffnete sich. Verwunderterweise war der Kerl auf der anderen Seite kleiner als erwartet. Es war ein schwarzer Hamster, Heinrich hieß er, und von draußen konnte ich ein Tatamibett in seinem Haus erkennen. Er war eher der Einzelgänger,was er auch zugab. „Na, solange du morgen zum Weihnachtsfest kommst...“, sagte ich zum Abschied. Im Umdrehen hörte ich noch ein tiefes „Hä? Weihnachtsfest?“, bis ich mich im Rathaus anmeldete.Auch hier schaute mich die Sekretärin verdattert an, als ich Weihnachten erwähnte.
Zu Hause packte ich meine Lieblingsmöbel aus. Alles pink und smaragdgrün – wunderbar! Ein Schreibtisch fürs Entwerfen neuer Kollektionen und das Wichtigste: WEIHNACHTSDEKO!
Am nächsten Morgen ertönte aus meinem Wecker das Lied „It's Finally Christmas“ und sofort wusste ich, welcher Tag heute war.Ich rannte in die Welt hinaus und rief „Fröhliche Weihnachten!“,sodass wirklich JEDER es hören konnte. Monique öffnete ihr Fenster:„Kannst du bitte leise sein? Ich brauche meinen Schönheitsschlaf!“Schon klappte sie ihr Fenster wieder zu. Wie konnte das sein? Wieso feierten wir in Kivania jedes Jahr Weihnachten und hier in Mervellouscity kannten sie es nicht mal? Ich wusste, was nun zu tun war! Entschuldige, Tina. Du musst noch etwas Geduld haben...
Im Rathaus sprach ich die Sekretärin auf mein Anliegen an. Sie wusste erst nicht, wovon ich sprach. Nachdem ich ihr Weihnachten erklärt hatte, war sie sofort dabei! Während sie eine Nachricht für das schwarze Brett schrieb, eilte ich zu meinen neuen Hasen freundinnen. Zuerst dachte ich, auch hier kannte keiner Weihnachten. „Doch, ich habe schon mal davon gehört!“, rief Mimmi. „Ich davon gelesen.“, fügte Koko hinzu. Auch Henrike warschnell überzeugt. Jeder kümmerte sich um etwas. Koko suchte die schönsten Weihnachtsgeschichten raus, Mimmi die schönsten Weihnachtslieder (ihre zweite Leidenschaft ist nämlich Musik) und Henrike kreierte Bonbons mit Apfelzimtgeschmack und Plätzchenduft. Es scheint alles glatt zu verlaufen. Vor allem, als ein Pferd angaloppiert kam. Das war wohl der Schlafende von gestern, er hieß Friedel. „Ich lag gerade auf meinem Minimalsofa, konnte jedoch nicht mehr einschlafen. Ja, auch weil der Rasensprenger es mal wieder durchnässte... Doch dann roch ich auf einmal eure Köstlichkeiten.Hast du wieder leckere Bonbons gemacht, Henrike?“ „Ja, extra für Weihnachten!“, prahlte Henrike stolz. Mitten im Schwärmen wunderte Friedel sich über das unbekannte Wort „Weihnachten“. Auch er war begeistert und wollte auch helfen. „Oh, ich hab eine Idee für dich, Friedel. Du wärst ein gutes Rentier für den Schlitten.“,fiel mir da spontan ein. „Fehlt nur noch ein Weihnachtsmann...“,ich überlegte weiter. „Frag doch Puck, den Sportfanatiker. Wenn ermal von seinem Hockeyhelm loskommt, müsste das klappen!“, schlug Mimmi vor. Friedel machte sich auf den Weg zu ihm. Ich hatte nämlich noch eine andere Idee... „Ja? Wer ist da?“ „Ich bins! Knuspi!“Monique öffnete die Tür: „Ach, willst du dich dafür entschuldigen, dass du meinen Schönheitsschlaf heute gestört hast?“Schon war meine Laune im Keller... Wäre heute nicht Weihnachten!Also verblieb mein Grinsen im Gesicht: „Heute ist Weihnachten. Es ist das schönste Fest des Jahres. Es steht für Zusammengehörigkeit und Liebe...“ „Und was hat das mit mir zu tun?“, unterbrach mich Monique. „Nun, es gibt viele verschiedene Arten, dieses Fest zu feiern. In meiner alten Heimatstadt, Kivania, verkleideten sich manche als Weihnachtsmann, der den Leuten Geschenke bringt, oder als Jesus Christus, der der Hauptgrund dieses Festes ist. Und du,Monique, könntest...“
Monique war von dieser Idee nun doch begeistert. Sie wollte nun auch Frieda davon erzählen. Auch Puck soll überzeugt gewesen sein und Manni, die quiekende Stimme von gestern (eine lilane Maus) wollte sich dann auch mit verkleiden. Friedel meinte, Manni wolle sich selbst etwas einfallen lassen. Na, ob das was wird?
Jetzt sollte ich langsam wirklich zur Arbeit gehen. Ich glaube nämlich, Tina & Sina haben von all dem Jubel und Trubel nichts mitbekommen.
… Also werde ich ihnen auch frohe Weihnachten wünschen!
Die Reaktion darauf war enttäuschend... Sina nähte einfachweiter und auch Tina meinte, sie müsste weiterarbeiten. Mir habensie den Tag aber freigestellt, weil sie die Bedeutung dieses Festesverstanden.
Um 16 Uhr sollten alle auf dem Festplatz der Stadt erscheinen.Vorher hing ich noch Weihnachtsdeko auf dem Baum des Festplatzes. Dasdurfte auf keinen Fall fehlen!
Kurz nach vier waren alle eingetroffen. Es hatte tatsächlich geklappt! Koko las Weihnachtsgeschichten vor, Mimmi sang mit uns Weihnachtslieder, Henrikes Bonbons waren super lecker und das Schauspiel von Puck dem Pinguin als Weihnachtsmann, Friedel als Rentier, Manni als … sehr interessant aussehenden Elf und Monique als Schneefrau so festlich und unglaublich schön (das Boot des Käpptns diente als Schlitten). Selbst Tina & Sina trafen noch ein! Trotzdem fehlte noch etwas... Aber was?
HEINRICH!
Klar, der Einzelgänger! Wieso kam er nicht zum Weihnachtsfest?Hatten wir ihn vergessen oder hatte er keine Lust? Ich nahm eins der vielen Geschenke aus dem Schlitten und klopfte an seine Tür. Eröffnete sie zu einem Spalt. „Knuspi, was willst du denn hier zu so später Stunde?“
„Nun, alle feiern sie Weihnachten auf dem Festplatz und du bist nicht dabei. Das finde ich irgendwie schade. Ich will dich nicht zwingen, zu kommen, deswegen bringe ich dir dein Geschenk vorbei.“Heinrich packte es sofort wortlos aus. Sah ich da etwa eine kleine Träne? Er hielt nun eine Glocke in der Pfote. Er wischte sich die Träne weg. „oh Mann, das ist mir jetzt peinlich. Es ist nämlich so... Als Kind habe ich auch Weihnachten gefeiert. Diese Glocke ist etwas ganz besonderes für mich.“ So schön, dass ich den etwas miesepetrigen kleinen Kerl so glücklich sehen konnte. „Kommst du denn auch zum Fest?“, fragte ich. „Bwahaha, loogisch, squiep!“Ich spürte, wie mein Grinsen intensiver wurde. Zusammen mit Heinrich begegnete ich auf dem Festplatz alte Bekannte: Eleonore brachte ihren Tee vorbei, Maria ihren Erdbeerkuchen und – am allerwichtigsten – Liliane besuchte mich ebenfalls. Ich umschlang sie mit meinen Armen.So ein schönes Weihnachtsfest hatte ich lange nicht mehr! (Außerdem trug Liliane meine Melonenkollektion. ^-^)